Stipendiat:innen /
Porträts
Ben Balsmeier
Internationale Migration und Interkulturelle Beziehungen
Universität OsnabrückFluchterfahrung sichtbar machen, junge Menschen miteinander ins Gespräch bringen, Vorurteile abbauen – diesen Zielen hat sich Ben Balsmeier mit großem Einsatz verschrieben. Mit dem Engagementstipendium der Studienstiftung konnte er den Verein „Zeugen der Flucht Dresden e. V.“ nach seinem Bachelorabschluss der Internationalen Beziehungen dabei unterstützen, neue Themenfelder zu bespielen und einen personellen Aufwuchs zu erreichen.
„Ich möchte erreichen, dass Menschen mit und ohne Fluchterfahrung miteinander statt übereinander sprechen“, resümiert Ben Balsmeier sein Engagement, der sich mit dem Verein Zeugen der Flucht Dresden e.V. der antirassistischen Bildungsarbeit verschrieben hat. Dieser verfolgt einen langfristigen, präventiven Ansatz. In Grundschulen, Oberschulen und Gymnasien, bei FSJ-Seminaren, in Vereinen oder der Kunsthochschule in Dresden organisieren die Mitglieder Workshops zum Thema Flucht, die Kindern und Jugendlichen einen persönlichen, differenzierten und unmittelbaren Austausch ermöglichen sollen: „Wir möchten Schüler:innen klarmachen, dass hinter Menschen mit Fluchterfahrungen und hinter den Zahlen in den Medien persönliche Geschichten stehen, damit Menschen lernen, sich gegenseitig zu verstehen. Mit den Workshops und Geschichten erlebe ich, dass wir direkt und nachhaltig die Vorurteile der Schüler:innen abbauen können, das motiviert mich immer wieder aufs Neue“, erklärt Balsmeier.
Zeugen der Flucht Dresden e. V. gründete er 2022 nach dem Freiburger Vorbild Zeugen der Flucht e.V., wo er sich bereits seit 2019 engagierte. Der Anstoß für sein zivilgesellschaftliches Engagement war der Einsatz gegen Rassismus und für Toleranz. Dabei möchte er der Stigmatisierung von geflüchteten Personen, die aus triftigen Gründen ihre Heimat verlassen, entgegenwirken: „Mir ist es wichtig, das Menschliche und Gemeinschaftliche in den Vordergrund zu stellen, weswegen ich mich an der Seite von und für Menschen mit Fluchterfahrungen engagieren wollte. Besonders in Sachsen, wo rechtsradikale Kräfte erstarken und Menschen mit internationaler Geschichte oft mit Ablehnung und Hass konfrontiert sind, ist es mir wichtig, Verständigung zu schaffen.“
Vereinsausbau mit dem Engagementstipendium
Der gebürtige Westfale studierte von 2019 bis 2023 Internationale Beziehungen mit dem Schwerpunkt auf Internationaler Politik im Bachelor an der TU Dresden und wurde währenddessen von der Studienstiftung gefördert. Für sein Engagement wurde er 2023 als Finalist der Engagementpreise der Studienstiftung ausgezeichnet und nach seinem Bachelorabschluss mit einem aus privaten Mitteln finanzierten Engagementstipendium gefördert. Dieses ermöglichte ihm, sich über ein halbes Jahr komplett auf sein Ehrenamt zu konzentrieren. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Verein in einer entscheidenden Entwicklungsphase: Die Aufmerksamkeit, das Interesse und die damit verbundenen Anfragen für unterschiedliche Themen stiegen, gleichzeitig blieben die Kapazitäten der Mitglieder des Vereins aufgrund von Studium und Arbeit begrenzt. Die Herausforderungen des Freiwilligenmanagements verschärften sich.
„Der Verein hatte das Potential, noch mehr Menschen zu erreichen und noch weiter zu wachsen. Ich wollte diesen Prozess anleiten, administrativ ermöglichen und organisieren. Ich hatte in meiner Rolle als Vorstandsvorsitzender die Gründung des Vereins in Dresden angestoßen und wollte nun auch eine langfristige Zukunftsperspektive schaffen“, blickt Balsmeier auf seine Bewerbung um ein Engagementstipendium zurück. Hierdurch konnte er die Vereinsarbeit genauso intensiv und erfolgreich gestalten wie bisher, die Lerninhalte umfassender gestalten und vor allem neue Mitglieder und weitere finanzielle Mittel, etwa von der Heidehofstiftung und der Stadt Dresden, gewinnen, um die Vereinsarbeit auf ein zukunftsfähiges Fundament zu stellen.
Daneben wuchs auch der Vereinsstandort in Leipzig stark an. Die grundlegende Ausrichtung des Vereins, der sich bislang der Bildungsarbeit bei Kindern und Jugendlichen verschrieben hat, erfuhr eine Erweiterung, indem Planungen zur Ausweitung der Zielgruppen außerhalb des Schulkontextes und explizit zur Ausbildung der Polizei in Sachsen konkretisiert wurden.
Stimme gegen Rassismus
Balsmeier selbst ging als Vorstandsvorsitzender im Zuge der Proteste gegen das Potsdamer Geheimtreffen auf die Straße, rief Anfang des Jahres 2024 zu Demonstrationen gegen Rechtsextremismus in Dresden auf und hielt dort mit dem stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden und Mitgründer des Vereins Saied Karabij Reden. „Prägend war, dass die gleichen Inhalte die Jahre davor sehr wenige Menschen interessiert haben. Durch die Demonstrationen gab es einen Hoffnungsschimmer und einen Anstieg der medialen und gesellschaftlichen Aufmerksamkeit, die jedoch danach rasch wieder abgeflacht ist. Rassismus und Vorurteile werden erst abgeschwächt, wenn Menschen sich nicht nur in großstädtischen Studentenvierteln, sondern auch in kleinen Gemeinden engagieren und laut werden. Die Hoffnung wurde sehr schnell wieder durch die alltägliche Hetze und den allgewärtigen Rassismus gegenüber Ausländer:innen und Menschen, die nicht ,deutsch‘ aussehen, sowie die AfD-Wahlergebnisse in Sachsen zerstört. Es fühlt sich an, wie gegen Windmühlen zu kämpfen.“
Für Balsmeier brauche es einerseits mehr Engagement von Politiker:innen, Unternehmer:innen, Journalist:innen oder Sporttrainer:innen auf nationaler wie lokaler Ebene, andererseits müssten sowohl die diskriminierten und von Rassismus betroffenen als auch die sich engagierenden Personen mehr unterstützt, geschützt und gehört werden. „Die Ressourcen dafür können von Stiftungen oder Firmen kommen, sollten aber vor allem vom Staat und von den Gemeinden geleistet werden, denn der Bundeskanzler, die Ministerpräsident:innen und die Bürgermeister:innen sind dafür verantwortlich, dass ihre Bürger:innen vor Gewalt, Hass und Hetze geschützt werden und die Zivilgesellschaft ausreichend gefördert wird. Diese Punkte sind grundlegende Aufgaben der Politik“, so Balsmeier.
Er selbst hat nach einem Praktikum im Auswärtigen Dienst den Entschluss gefasst, nicht auf staatlicher Ebene in der internationalen Zusammenarbeit zu arbeiten. Seinen Master in Internationaler Migration und Interkulturellen Beziehungen in Osnabrück möchte er mit einem internationalen Doppel-Abschluss im Rahmen des European Master in Migration Studies abschließen, um auch akademisch an sein Engagement anzuknüpfen. Dem Thema „Asyl und Migration“ wird er sich auch in seiner weiteren Laufbahn verschreiben. Aktuell erwägt er eine wissenschaftliche Karriere oder die Arbeit im zivilgesellschaftlichen Bereich. Auf jeden Fall wird er nicht aufhören, Menschen mit- statt übereinander ins Gespräch zu bringen.