Stipendiat:innen / 

Porträts

Julia Baum

Neurokognitive Psychologie

HU Berlin

Im Interview spricht Dr. Julia Baum über ihre Forschung nach der Promotion. Die 35-Jährige forscht im Bereich Neurokognitive Psychologie an der HU Berlin und wird als Rübsamen-Schaeff-Stipendiatin der Studienstiftung von Januar bis Juni 2023 gefördert. Zuvor war sie Stipendiatin der Promotionsförderung.

Die Studienstiftung fördert mit dem Professorin Rübsamen-Schaeff-Stipendium gezielt Frauen auf dem Weg zu einer leitenden Position in Forschung und Lehre. Das Stipendium bietet eine Anschub-Finanzierung für Postdoc-Vorhaben von Mathematikerinnen und Naturwissenschaftlerinnen und kann für bis zu sechs Monate vergeben werden. Bewerben können sich ehemalige Stipendiatinnen der Studienstiftung.

Frau Dr. Baum, welche Forschungsfrage steht im Zentrum Ihrer Arbeit?

Wir sind häufig mit Informationen konfrontiert, die falsch oder von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt sind, zum Beispiel mit übler Nachrede oder Fake News, wissen aber wenig darüber, wie unser informationsverarbeitendes System eigentlich damit umgeht oder unterschätzen auch den Einfluss dieser Fehlinformationen. Ich erforsche, wie emotional aufgeladene, potenzielle Falschinformationen „hängen bleiben“ und uns beeinflussen. Mein Ziel ist es, neue Gegenmaßnahmen zu ergründen, zum Beispiel wie wir Emotionsregulationsstrategien einsetzen könnten, um uns selbst vor potenziell schädlichen Auswirkungen von Fehlinformationen auf unser Denken und Urteilen zu schützen.

Wie gehen Sie in Ihrer Forschung vor?

Um die neurokognitiven Prozesse untersuchen zu können, die unserer Anfälligkeit für Vorverurteilungen oder Fehlurteilen zugrunde liegen, führte ich Laborexperimente durch, in denen Studienteilnehmer:innen mit sozial-emotionalen oder vergleichsweise neutralen Schlagzeilen über fiktive Personen im Online-Layout verschiedener deutscher Medienquellen konfrontiert wurden. Diese Medienquellen wurden als unterschiedlich vertrauenswürdig eingeschätzt. Beispielsweise wurde also über eine Person berichtet, dass sie Steuergelder veruntreut habe und über eine andere, dass sie besondere Zivilcourage bewiesen habe. Nach einer kurzen Pause wurde die Gehirnaktivität der Proband:innen gemessen, während sie die anhand des Gesichts präsentierten Personen beurteilten. Obwohl die Studienteilnehmer:innen die Medienquellen als unterschiedlich glaubwürdig einschätzten, spielten diese Einschätzungen für die Meinungsbildung keine Rolle. Die emotionalen Inhalte der Schlagzeilen hatten dagegen starke Auswirkungen auf die Urteile: Auch wenn die Proband:innen einer Nachrichtenquelle kein Vertrauen entgegenbrachten, fällten sie extreme Urteile über Personen, über deren negatives oder positives Verhalten in den Schlagzeilen berichtet wurde. Die Gehirnaktivität der Proband:innen erfasste ich mittels eines Elektroenzephalogramms (EEG), während sie Urteile über die Personen fällten. Dabei können schnelle, unwillkürliche Antworten des Gehirns von langsameren, kontrollierteren Reaktionen unterschieden werden. Meine theoriegeleiteten Erwartungen waren, dass letztere neben der Emotion eine Berücksichtigung der Glaubwürdigkeit der Quelle beinhalten und somit die Glaubwürdigkeit in das Urteil einfließen könnte, während in frühen und eher unwillkürlichen Reaktionen die Emotionen dominieren sollten. Jedoch zeigten sich sowohl in späten, als auch in frühen Reaktionen des Gehirns dominante Einflüsse der Emotionalität der Schlagzeilen unabhängig von der Glaubwürdigkeit.

Was zeigen Ihre bisherigen Arbeiten?

Nachrichteninhalte, die Gefühle wie Begeisterung oder Empörung auslösen, prallen auch dann nicht einfach an uns ab, wenn wir die Vertrauenswürdigkeit der Quelle als gering einschätzen. Vielmehr bleiben Vorbehalte gegenüber der Verlässlichkeit der Quelle wirkungslos, wenn emotionale Inhalte unser Urteilsvermögen dominieren. Meine bisherige Forschung zeigt, dass wir insbesondere für emotionale Inhalte in potenziellen Fehlinformationen empfänglich sind.

Wozu möchten Sie mit Ihrer Forschung beitragen?

In unserer Online-Kommunikation verbreiten sich sehr viele Informationen sehr schnell und es ist wichtig für uns, seriöse und gut überprüfte Informationen von Gerüchten und potenzieller Falschinformation zu unterscheiden. Während die Verbreitung von Fehlinformation in großen Online-Netzwerken und die Voraussetzungen für das Erkennen von unglaubwürdiger Information vergleichsweise gut erforscht sind, wissen wir noch sehr wenig über die Gehirnmechanismen, die ablaufen, wenn wir potenzielle Fehlinformationen verarbeiten, Meinungen formen und Urteile fällen.  Ich möchte im Rahmen meines neuen Projekts nun dazu beitragen, besser zu verstehen, welche kognitiven und emotionalen Konsequenzen die Konfrontation mit potenziellen Falschinformationen für uns hat, auch wenn wir glauben, wir seien davon unbeeindruckt.

Was bereiten Sie im Rahmen des Rübsamen-Schaeff-Stipendiums vor?

Ich möchte Mittel bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) einwerben, um mein Forschungsprojekt zu finanzieren, das heißt durch eine Sachbeihilfe mit eigener Stelle. In dieser zeit- und arbeitsintensiven Antragsphase von der Studienstiftung Unterstützung zu bekommen, ist sehr wertvoll, da es für diese Übergangsphase in die eigenständige Forschung als Postdoc sehr wenige Finanzierungsmöglichkeiten gibt.