Stipendiat:innen /
Porträts
Claudia Eberlein, Alumna und Vertrauensdozentin, über das Studium in Großbritannien
Theoretische Physik
Loughborough University, GroßbritannienProf. Dr. Claudia Eberlein, Professorin für Theoretische Physik, Mitinitiatorin einer Kooperation mit der Loughborough University in Großbritannien, Alumna und Vertrauensdozentin der Studienstiftung
Seit dem Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union ist es für Studierende schwieriger und sehr viel teurer geworden, an britischen Universitäten zu studieren. Durch Sonderprogramme und Kooperationen ermöglicht die Studienstiftung ihren Geförderten, auch weiterhin Auslandsvorhaben in Großbritannien umzusetzen. Im November 2022 startete ein neues Kooperationsprogramm mit der englischen Loughborough University mit einer ersten Kohorte von insgesamt zehn Studierenden: Neun der Studierenden absolvieren dabei ein einjähriges Masterstudium und ein Studierender ein Auslandsjahr im Bachelorstudium. Gefördert werden einjährige Auslandsvorhaben in postgradualen Studiengängen (MSc/MA) oder in grundständigen Studiengängen (BSc/BEng/BA) aller Disziplinen. Die Studiengebühren sind für beide Varianten auf höchstens 9.250 GBP festgesetzt. Die Studienstiftung bietet ein Auslandsstipendium für diese Kooperation mit einem maximalen Gebührenzuschuss von 10.000 Euro sowie Auslandspauschalen und Reisekostenzuschüsse. Eine Bewerbung für Aufenthalte ab September 2023 ist bis zum 15. Januar 2023 möglich.
Die Physikerin Claudia Eberlein, Vertrauensdozentin und Mitinitiatorin des Kooperationsprojekts, betreut die Studierenden vor Ort. Eberlein leitet seit 2018 als Dekanin die Naturwissenschaftliche Fakultät an der Loughborough University und ist Professorin für Theoretische Physik. Sie ist Alumna der Studienstiftung und engagiert sich seit 2003 für die Geförderten in Großbritannien, seit 2022 insbesondere als Vertrauensdozentin in Loughborough.
Im Interview spricht Eberlein über die Veränderung der Hochschullandschaft in Folge des Brexit und wie durch neue Kooperation die internationale Zusammenarbeit gestärkt werden kann.
„Loughborough ist wie viele britische Universitäten sehr international. Um engagierten und akademisch exzellenten deutschen Student:innen, die sich keine großen privaten Zuzahlungen leisten können, einen einjährigen Aufenthalt an der Loughborough University zu ermöglichen, haben wir gemeinsam mit der Studienstiftung ein Abkommen getroffen, wodurch mindestens fünf Studienstiftler:innen pro Jahr hier zu stark reduzierten Studiengebühren studieren können.“
Hier berichten Stipendiat:innen aus Loughborough
Interview
Frau Professorin Eberlein, seit wann forschen Sie in Großbritannien und wie verlief eigentlich Ihr Weg dorthin?
Ich hatte schon 1986 während meines Grundstudiums der Physik in Leipzig eine Forschungskooperation mit einem Kollegen an der University of Sussex in Südengland begonnen. Die Wende 1990 und ein Know-How-Fund-Stipendium des British Councils ermöglichte mir ein Jahr Forschung in Sussex, und die Studienstiftung und das Marie-Curie-Programm der EU erlaubten mir wiederum, meine Promotion nach zwei weiteren Jahren in Sussex abzuschließen. Obwohl ich nach der Promotion erst für zwei Jahre in den USA geforscht habe, bin ich danach wieder für eine Stelle in Cambridge nach England zurückgekehrt. Als ich 1997 eins der sehr hoch angesehenen University Research Fellowships der Royal Society bekam, hat mich das in eine akademische Laufbahn an britischen Universitäten gelenkt und ich bin hier geblieben.
Welche Folgen hat der Brexit für die akademische Arbeit und wie erleben Sie die Veränderung der Hochschullandschaft?
Loughborough ist wie viele britische Universitäten sehr international: Meine Kolleg:innen kommen aus fast allen Teilen der Welt und sehr viele von ihnen aus EU-Ländern. Darüber hinaus arbeiten wir Wissenschaftler ja vollkommen international. Eins der vielen Beispiele aus meinem eigenen Fachgebiet, der Physik, ist das gemeinsame Forschungszentrum CERN in Genf, wo große internationale Gruppen gemeinsam forschen. Seit dem Brexit sind solchen Kooperationen viel umständlicher, weil Anträge, Genehmigungen und Visa nötig sind, wo man früher einfach unbürokratisch zusammengearbeitet hat. Forschungskooperationen aller Art sind natürlich nach wie vor möglich, aber leider komplizierter. Ganz besonders schade ist, dass es immer noch keine endgültige Lösung für die weitere Teilannahme Großbritanniens am Horizon Europe Forschungsprogramm gibt. Jede Behinderung europäischer Forschungskooperation ist höchst bedauerlich, gerade weil die großen Herausforderungen unserer Zeit wie der Klimawandel eine möglichst enge europäische und internationale Zusammenarbeit verlangen.
Was ermöglicht die seit 2022 bestehende Kooperation mit der Loughborough University Geförderten der Studienstiftung?
Bestimmt durch die Competition and Markets Authority (CMA), die in Großbritannien Wettbewerb und Märkte reguliert, dürfen britische Universitäten bei Studiengebühren nicht pauschal nach Herkunftsland bevorzugen. Dadurch fallen auch für deutsche Student:innen Studiengebühren von 25.000 Euro und mehr an, wovon die Studienstiftung nur 10.000 Euro decken kann. Um engagierten und akademisch exzellenten deutschen Student:innen, die sich keine großen privaten Zuzahlungen leisten können, trotzdem einen einjährigen Aufenthalt an der Loughborough University zu ermöglichen, haben wir gemeinsam ein Abkommen getroffen, wodurch mindestens fünf Studienstiftler:innen pro Jahr hier zu stark reduzierten Studiengebühren studieren können. Sofern Studienplätze verfügbar sind, können ich und meine Dekan-Kolleg:innen in den anderen Fakultäten auch noch weitere Student:innen annehmen.
Was motiviert Sie bei Ihrem ehrenamtlichen Einsatz als Vertrauensdozentin der Studienstiftung?
Internationalisierung und Diversität sind nur abstrakte Begriffe, wenn wir nicht alle selbst etwas dazu tun. In meinem eigenen Werdegang hat mir die Studienstiftung in einer Lebensphase zu Beginn meiner wissenschaftlichen Karriere Sicherheit geschenkt. Die Studienstiftung hat mir den Rückhalt gegeben, den ich zum Abschließen meiner Promotion benötigte. Wenn ich jetzt Studienstiftler:innen dabei unterstützen kann, ein Teil ihrer Ambitionen zu verwirklichen, dann gebe ich damit etwas weiter an die nächste Generation. Gleichzeitig bemühe ich mich damit zur Aufrechterhaltung und Verbesserung freundschaftlicher Zusammenarbeit in Europa und ganz besonders zwischen Deutschland und Großbritannien, was mir persönlich sehr am Herzen liegt.
Was fasziniert Sie an der Theoretischen Physik – Ihrer Fachdisziplin?
Atome und andere sehr kleine Systeme werden sehr erfolgreich von der Quantenphysik beschrieben, aber meist nur isoliert von ihrer Umgebung. Wenn man zum Beispiel ein Atom in einem Hohlraum mit teilweise reflektierenden Wänden betrachten will, dann versagt die aus Lehrbüchern bekannte Theorie und weitere Grundlagenforschung ist gefordert. In der Nanotechnologie nutzt man genau solche Quantensysteme, die von ihrer Umgebung beeinflusst oder sogar dynamisch manipuliert werden. Obwohl es unmöglich ist vorauszusehen, ob meine eigenen Beiträge zu dieser Art Grundlagenforschung je zu einem neuen Nano-Sensor oder einem neuartigen Quanten-Computer führen werden, ist jeder Fortschritt ins Neuland der theoretischen Beschreibung solcher Systeme ein Beitrag zum umfassenden Verständnis, wie die Nano-Welt funktioniert und uns vielleicht in Zukunft erschließbarer wird. Wer sich mehr dafür interessiert, kann gern auf meine Antrittsvorlesung in Loughborough zugreifen, auch ohne großes Fachwissen in Physik.
Stand: Dezember 2022