Porträt

Dr. Richard Schweitzer

Psychologie

Humboldt-Universität zu Berlin

Mit dem Lieselotte Pongratz-Promotionspreis 2022 wird Richard Schweitzer ausgezeichnet. Der Psychologe entwickelte in seiner Arbeit einen neuartigen Ansatz zur Bedeutung und Funktion von schnellen Augenbewegungen.

Die Forschungsfrage

Obwohl wir beim Sehen permanent Blickbewegungen ausführen, können wir unsere Umwelt stabil und ohne Irritationen wahrnehmen. Die häufigsten und schnellsten der menschlichen Blickbewegungen sind sogenannte Sakkaden. Diese Bewegungen, welche notwendig sind, um die Welt wahrzunehmen, erzeugen ruckartige Verschiebungen des Bildes auf der Netzhaut, die zwar mit extremer Bewegungsunschärfe einhergehen, aber selten oder nie bewusst wahrgenommen werden. Bisher nahm die Forschung an, dass mit der Sakkade ein temporärer Wahrnehmungsausfall einhergeht und Mechanismen im Gehirn existieren, die die visuelle Wahrnehmung hierbei aktiv unterdrücken. Ich habe diese Annahme hinterfragt und untersuchte, ob das Gehirn die visuellen Signale der Sakkaden verarbeiten und sinnvoll nutzen kann, auch wenn diese nicht bewusst wahrgenommen werden.

„Richard Schweitzers methodischer Ansatz ist bahnbrechend – ebenso wie seine Erkenntnisse. Besondere Anerkennung verdient der Mut, lange als gültig Anerkanntes anzuzweifeln.“

aus der Begründung der Jury

Die Methode

Angesichts der kurzen Dauer und hohen Geschwindigkeit von Sakkaden arbeitete ich mit einem Projektor, dessen zeitliche Auflösung mehr als zwanzigfach höher ist als die eines normalen Computermonitors. Hiermit konnte ich systematisch kontrollierte visuelle Reize während der Augenbewegung präsentieren. Kombiniert mit modernen Blickbewegungsmessverfahren erzeugte ich so erstmals Sequenzen, welche die natürlichen visuellen Konsequenzen von Sakkaden nachahmen und in psychophysischen Experimenten getestet werden können.

Die Ergebnisse

Ich habe neue Erkenntnisse zur Funktion und Bedeutung der schnellen Augenbewegungen erarbeitet. In Experimentalreihen untersuchte ich die Wahrnehmung von intra-sakkadischen Bewegungsspuren („motion streaks“), die entstehen, wenn sich Objekte mit hohen Geschwindigkeiten über die Netzhaut bewegen. Obwohl solche Bewegungsspuren kaum beobachtet werden konnten, trugen sie indirekt zur Objektlokalisation bei, indem sie – wie Fußspuren im Schnee – kurzzeitige Verbindungen zwischen den wechselnden Positionen relevanter Objekte erfassbar machten. Anders als frühere Studien legen meine Resultate somit nahe, dass visuelle Information während der Sakkade nicht a priori verworfen, sondern für Prozesse der aktiven Wahrnehmung genutzt wird, vielleicht sogar um Raumstabilität zu erzeugen.

Zur Person

Dr. Richard Schweitzer studierte im Bachelor Psychologie an der Universität Potsdam und Università degli studi di Milano-Bicocca in Italien sowie im Master „Mind and Brain“ an der Humboldt-Universität zu Berlin und Bar-Ilan University in Israel. Während seiner Promotion an der HU Berlin war er Promotionsstipendiat der Studienstiftung. Seit 2020 forscht der 32-jährige Psychologe am Exzellenzcluster „Science of Intelligence“ in Berlin.

Kontakt

Dr. Richard Schweitzer, richard.schweitzer(at)hu-berlin(dot)de

Weitere Informationen

Stand: Mai 2022