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Ezra Kücken: „Ich glaube, ich bin nicht die einzige Person, die aus dem Kolleg mit mehr offenen Fragen herausgegangen ist, als man zu Beginn des Programms überhaupt im Blick hatte“

Ezra Kücken (25) beschäftigte sich schon im Bachelorstudium mit der Geschichte Chinas. Durch das Kolleg konnte Ezra Kücken diese fachliche Perspektive erweitern und mit eigenen Erfahrungen und Eindrücken aus China verknüpfen.

Warum haben Sie sich für das China-Kolleg beworben und welche Erfahrungen haben Sie bereits mit chinaspezifischen Themen?

Ich habe im Bachelor neben Geschichte auch Ostasienwissenschaften studiert und mich schwerpunktmäßig mit der Geschichte des modernen Chinas auseinandergesetzt. Schon damals wollte ich diese vor allem theoretischen und historischen Inhalte gerne durch eigene Erfahrungen ergänzen, aufgrund der Covid-19-Pandemie war ein Auslandsaufenthalt jedoch leider nicht möglich. Neben den vielen spannenden Inhalten des China-Kollegs habe ich mich daher ganz besonders auch auf die Arbeitsphase in China gefreut. Darüber hinaus hat mich das interdisziplinäre Format mit Stipendiat:innen verschiedener Fächer und mit unterschiedlichem Wissen zu und Perspektiven auf China überzeugt. 

Welche Programmbestandteile und Themen haben Ihnen besonders gut gefallen?

Das Programm hat meine Erwartungen voll erfüllt und hat mich vor allem in seiner Vielfalt und Interdisziplinarität beeindruckt. Dadurch entstand ein sehr komplexes, teils widersprüchliches aber auch dem Gegenstand angemessenes Bild von China. Besonders zum Nachdenken angeregt hat mich der Abendvortrag zur Bedeutung von China-Kompetenz und strategischer Empathie. Dieser ist mir das ganze Kolleg lang nicht aus dem Kopf gegangen. 


Als Historiker:in habe ich mich natürlich auf die Vorträge zur Geschichte Chinas gefreut, am meisten Neues gelernt habe ich jedoch bei den Programmteilen, die sich mit dem aktuellen China auseinandersetzten. Besonders bei Vorträge zur Arbeiter:innenbewegung in China, zu digitalem Widerstand und zu Gender and Politics habe ich viel mitgenommen.

Wie würden Sie die allgemeine Atmosphäre des Kollegs beschreiben?

Ich habe die Kolleggruppe als wertschätzend, inspirierend und motivierend erlebt. Alle Teilnehmer:innen sind einander und dem Gegenstand mit unglaublich viel Neugierde, kritischen Fragen und Bereitschaft zum Austausch begegnet und haben sich sehr dafür eingesetzt, eine freundschaftliche und produktive Atmosphäre zu schaffen, in der man sowohl vertiefte Fachgespräche führen als auch gemeinsam einen Abend lang Karaoke singen konnte. Insbesondere in China sind wir als Gruppe sehr zusammengewachsen und Verbindungen schaffen können, die das Kolleg auch abseits des Programms enorm bereichert haben.

Was war Ihr persönliches Highlight des Kollegs?

Während der Arbeitsphase in China habe ich eine Führung durch die Gedenkstätte der Opfer des Massakers von Nanjing angeboten, in welcher ich vor allem meine eigene Forschung zur Erinnerungskultur vorgestellt und eine anschließende Diskussionsrunde moderiert habe. Ich hatte vorher nicht damit gerechnet, so viele interessierte Kollegteilnehmer:innen dafür begeistern zu können und war sehr beeindruckt von den langen, kritischen und inspirierenden Gesprächen, welche ich durch die Führung anstoßen konnte. 

Wie haben Sie das Campusleben an einer chinesischen Universität erlebt?

Obwohl wir oft in unserer Kolleggruppe unterwegs waren, konnte ich viele Eindrücke aus der Universität Nanjing mitnehmen. Seien es die chinesischen Studierenden, mit denen man trotz Sprachbarriere Basketball spielen und Kaffee trinken gehen konnte oder die chinesischen Dozierenden, die begeistert ihre Forschungsergebnisse teilten und durch ihre Räumlichkeiten führten. Wenn ich an die Universität Nanjing zurückdenke, dann denke ich an diese Offenheit und Hilfsbereitschaft.

Welche Erfahrung in China war für Sie besonders überraschend oder eindrucksvoll?

Überrascht hat mich vor allem, wie schnell man sich an ständige Videoüberwachung und die permanente Herausgabe der Passdaten gewöhnt und dies im Austausch für bestimmte Vorteile hinnimmt: Von Metrokarte über Bezahlsystem, Taxibestellung, Lieferservice und Nationalparkticket alles in einer App zu haben, war für unsere Situation sehr komfortabel. Im Rahmen des Kollegs haben wir uns aber auch mit der Rolle digitaler Technologien im Kontext staatlicher Überwachungspraktiken beschäftigt. Ebenfalls überrascht war ich davon, wie viele E-Autos in der Stadt unterwegs waren und welchen Einfluss das auf den generellen Geräuschpegel in der Stadt hatte. 

Welche Erkenntnisse nehmen Sie aus dem Kolleg mit?

Das Kolleg war sowohl persönlich als auch fachlich eine intensive Zeit für mich. Ich glaube, ich bin nicht die einzige Person, die aus dem Kolleg mit mehr offenen Fragen herausgegangen ist, als man zu Beginn des Programms überhaupt im Blick hatte. Es war daher nicht das Ende, sondern der Anfang einer Beschäftigung mit China. Ich gehe mit vielen prägenden Eindrücken und sehr viel Begeisterung aus dem Kolleg und freue mich darauf, mich noch weitaus mehr mit China zu beschäftigen, insbesondere im Rahmen eines Promotionsprojektes.

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Stand: Juni 2024