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Die Programmlinie „SmP – Stipendiat:innen machen Programm“ bietet Geförderten Freiräume für die Umsetzung eigener Veranstaltungsideen
Wie können wir besser mit Stress umgehen? Wie wirken sich als hässlich stigmatisierte Räume auf die Gesellschaft aus – und umgekehrt? Welchen Einfluss übt die Biodiversität auf den Menschen aus? Das sind Fragen aus den Bildungsveranstaltungen, die drei Stipendiat:innen als Teil von Organisationsteams selbst organisiert haben – im Rahmen der Programmlinie „SmP – Stipendiat:innen machen Programm“. Hier berichten Rebekka Mattes, Marc Hertel und Katharina Lotter von Herausforderungen und Highlights.
Studienstiftung: Liebe Rebekka Mattes, lieber Marc Hertel, liebe Katharina Lotter, erzählen Sie uns etwas über die SmP-Veranstaltungen, die Sie organisiert haben?
Rebekka Mattes: Wir sind im SmP-Seminar „Stress verstehen” der Frage nachgegangen, wie und warum Stress entsteht, welche Konsequenzen er hat und wie wir individuell und als Gesellschaft für mehr Resilienz sorgen können. Das Seminar fand im Juni 2024 in Herrsching am Ammersee statt. Mit dabei waren 30 aktuelle und ehemalige Stipendiat:innen.
Marc Hertel: „einfach anders wild - Urban Ugliness in der BRD“ war eine neuntägige SmP-Exkursion mit 16 Stipendiat:innen unterschiedlichster Fächer. Sie fand im Mai 2024 in vier als hässlich stigmatisierten Städten statt: Ludwigshafen, Gießen, Bochum und Dortmund. Geplant und durchgeführt habe ich die Veranstaltung mit Kristian Svane. Wir haben uns auf der Sommerakademie in Ljubljana 2023 in einer AG zu hegemonialen Blickregimen im Tourismus kennengelernt.
Katharina Lotter: Seit zwei Jahren bereite ich das lebenswissenschaftliche Wochenendseminar (LWWS) vor. Bei diesem SmP-gemeinsam-Seminar treffen sich Studierende im Bereich Life Sciences und verwandter Fächer, um sich ein Wochenende lang interdisziplinär mit einem bestimmten Thema zu befassen und dies facettenreich aus dem Blickwinkel verschiedener Fachbereiche zu betrachten. Themen waren „Ewige Jugend: Zukunftsmusik oder Gegenwart?“ 2023 in Freiburg sowie „BioDiversität – (R)Evolution Now!“ 2024 in Kronberg.
Wie kam es dazu, dass Sie ein SmP geplant und organisiert haben?
Marc Hertel: Es ist so, dass mein Heimweg regelmäßig am Ludwigshafener Hauptbahnhof vorbeiführt – einst ein Vorzeigeprojekt modernster Verkehrsplanung, heute eine gefährlich wirkende, dysfunktionale Bahnhofswildnis. Auf der Akademie in Ljubljana haben Kristian und ich uns vorgenommen, das in der Stadtforschung vernachlässigte Phänomen „Urban Ugliness“ in eine SmP-Exkursion zu überführen, und damit zugleich sichergestellt, dass wir nach der Akademie noch regelmäßig miteinander zu tun haben werden.
Rebekka Mattes: Wir haben schon seit Jahren Erfahrung damit gemacht, wie sehr das Thema Stress in Kreisen von Leistungsdruck und High Achievern eine scheinbare Unumgänglichkeit und wie hoch die Belastung besonders auch unter Stipendiat:innen ist. So kam uns die Idee, Stipendiat:innen zusammenzubringen, um einerseits zu zeigen, damit nicht allein zu sein, und andererseits aktiv zu lernen, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse es gibt und wie sich diese individuell, aber auch gesellschaftlich umsetzen lassen. Die hohe Zahl an Bewerber:innen hat uns dabei völlig überwältigt und gleichzeitig unsere Vermutung bestätigt, dass ein großes Bedürfnis besteht, sich mit diesem Thema zu beschäftigen.
Katharina Lotter: Ich war selbst als Teilnehmerin auf einigen SmPs dabei und stets beeindruckt von dem Engagement der Organisator:innen. Da ich selbst die Veranstaltungen sehr genossen habe und aus einem anderen Ehrenamt schon Erfahrungen in der Organisation verschiedener Veranstaltungen hatte, ist mir die Entscheidung sehr leicht gefallen, als ich gefragt wurde, ob ich nicht Zeit und Lust hätte, das nächste LWWS mit zu organisieren.
Was war für Sie besonders herausfordernd? Wie hat Sie die Geschäftsstelle der Studienstiftung unterstützt?
Katharina Lotter: Die erste Herausforderung bestand darin, sich im Dschungel der vielen Formulare zurechtzufinden und zu wissen, welches Dokument zu welchem Zeitpunkt eingereicht werden muss. Hier war es definitiv hilfreich, Personen im Organisationsteam zu haben, die bereits Erfahrungen aus den letzten Jahren mitgebracht haben. Als Unterstützung seitens der Geschäftsstelle konnten wir mit unseren Fragen stets an das SmP-Team herantreten und bekamen hilfreiche Ratschläge. Ebenfalls haben wir die Möglichkeit von Feedbackgesprächen nach dem Projekt wahrgenommen, bei denen wir das SmP noch einmal gemeinsam reflektieren konnten und wertvolle Tipps für das nächste Jahr bekommen haben.
Rebekka Mattes: Die Organisation erfordert viel Selbstdisziplin und gute Planung. Natürlich konnten wir ironischerweise den einen oder anderen Stressmoment nicht umgehen. Die Geschäftsstelle war dabei aber eine gute Anlaufstelle – immer gut zu erreichen und geduldig auch bei den kleinsten Detailfragen. Sie hatte außerdem gute Tipps, die sehr geholfen und „entstressend“ gewirkt haben.
Marc Hertel: Die Erarbeitung des Konzepts und Programms, das wir in unserem Fall an die Raumtriade Henri Lefebvres angelehnt haben, war zwar sehr aufwendig, hat aber großen Spaß gemacht. Es ist sehr zu empfehlen, sich die Arbeit hier klar aufzuteilen – das haben Kristian und ich gut hinbekommen, in unserem Fall nach Städten. Außerdem kann die Kommunikation mit den Teilnehmenden nach Anmeldeschluss etwas anstrengend sein, da Leute abspringen oder nach Ausnahmen fragen. Das SmP-Team in Bonn stand vom ersten Telefonat bis zum Schluss voll hinter unserem Projekt und hat bei Fragen (wie z. B. zur Vorschuss-Finanzierung) immer zuverlässig und zielorientiert per E-Mail weitergeholfen.
Was war Ihr Highlight? Was war besonders schön?
Rebekka Mattes: Das ganze Wochenende von vorne bis hinten hätte nicht besser laufen können und hat die ganzen Mühen und Anstrengungen der Planung und Organisationen wettgemacht. Wir haben unfassbar viel gelernt und uns wahnsinnig über das überwältigend-positive Feedback der Teilnehmenden gefreut, die sich einstimmig für eine Fortsetzung des SmPs im nächsten Jahr ausgesprochen haben. Besonders schön war das gemeinsame Lagerfeuer mit Stockbrot, Singen und spannenden Gesprächen.
Marc Hertel: Ein Highlight war definitiv der Tag in der Dortmunder Nordstadt. Kristian und ich haben die Exkursion mit einem Ansatz aus der neomarxistischen Raumtheorie, einem hegelianischen Begriff von Hässlichkeit und einem Methodenpluralismus (mobil, multi-sensorisch, kartierend, usw.) konzipiert und damit in unserem digitalen Vorbereitungstreffen die Teilnehmenden ein wenig überfordert. Im Laufe der Exkursion hat die Beschäftigung mit der Materialität vor Ort und den korrespondierenden Diskursen in Medien dank der Impulsreferate der Teilnehmenden und Einführungen von Akteur:innen vor Ort unser Anliegen greifbarer gemacht. In Dortmund schließlich wurde es für alle Teilnehmenden offenkundig sichtbar, wie viel wir in der Beschäftigung mit Hässlichkeit on the ground über gesellschaftliche Ungleichheit, Stadtplanung und Lokalpolitik gelernt haben: Das Stigma des Hässlichen wird oft auf einen bestimmten, meist marginalisierten Raum bezogen wie im Falle der Dortmunder Nordstadt, stigmatisiert damit aber zugleich alle Bewohner:innen allein durch ihren Aufenthaltsort.
Katharina Lotter: Ob es ein konkretes Highlight gab, kann ich nicht genau festmachen, aber allein das Gefühl eine „fertige“ Veranstaltung präsentieren zu können und zu wissen, dass all die Vorbereitung zu einem greifbaren Ergebnis geführt hat, fühlt sich immer sehr motivierend an. Auch ist es schön, jedes Jahr bekannte Gesichter von wiederkehrenden Teilnehmenden auf der Veranstaltung zu sehen, aber gleichzeitig die Möglichkeit zu haben, neue Leute kennenzulernen, die sich für das gleiche Thema begeistern können.
Welche Tipps können Sie anderen Stipendiat:innen geben, die sich für die Organisation eines SmPs interessieren?
Marc Hertel: Fangt einfach an und bringt euch selbst ein! Obwohl die Idee im Kern die gleiche geblieben ist, ist unsere Veranstaltung erst in der Konzeption zusammengekommen (die wir beide aus unseren Interessen, Lektüren und Fächern gespeist haben) und hat erst vor Ort so richtig Sinn ergeben. Es ist ein total beglückendes Gefühl, ein am Schreibtisch erarbeitetes Programm vor Ort gemeinsam mit Stiftis unterschiedlicher Hintergründe in seiner „Aufführung“ mitzuerleben. Nach unserem letzten Programmpunkt haben Kristian und ich daher in der S-Bahn mit breitem Lächeln einmal fest eingeschlagen – we dit it! Now, it’s your turn …
Rebekka Mattes: Rechtzeitige Planung, gute Arbeitseinteilung und Zeitmanagement. Der Antrag muss etwa ein Jahr vorher gestellt werden. Bei Fragen war die Geschäftsstelle stets gut erreichbar und hilfsbereit! Und vor allem: nicht zu sehr stressen lassen!
Katharina Lotter: Der beste Tipp, den ich an dieser Stelle geben kann, ist, bewusst den Austausch mit erfahrenen SmP-Organisator:innen zu suchen, die euch wertvolle Ratschläge geben können. Auch für ganz neue Vorhaben ist dies eine gute Idee, da es oftmals unabhängig von der Art der Veranstaltung ähnliche Probleme, aber auch ähnliche Lösungen gibt. Des Weiteren ist es immer hilfreich, flexibel zu bleiben. Nicht alles wird zu 100 Prozent so funktionieren, wie man es sich im Vorfeld vorgestellt hat, und es wird zu spontanen Planänderungen kommen, die aber manchmal auch zu ganz neuen Möglichkeiten führen. Und zu guter Letzt sollte man genügend Kaffeepausen einplanen. Sie sind nicht nur eine wunderbare Möglichkeit für den Austausch mit Personen vieler verschiedener Hintergründe, sie helfen auch, um trotz einer Menge an neuem Input am letzten Tag motiviert dabei zu sein.
Rebekka Mattes (24) studiert Psychologie im Master an der LMU München.
Marc Hertel (25) studiert Geographie im Master an der Universität Mainz.
Kristian Svane (29) promoviert in deutschsprachiger Literatur an der Yale University.
Katharina Lotter (22) studiert Molecular and Translational Neuroscience im Master an der Universität Ulm.
Weitere Informationen
- Weitere Informationen zu SmP auf der Website der Studienstiftung
- Weitere Informationen zu SmP für Stipendiat:innen im Daidalosnet
Stand: September 2024