Berichte

Neue Raumbezüge der Demokratie? Ein politisch-geographisches Dissertationsprojekt

Die Förderung der Studienstiftung schafft Freiräume durch eine sichere Finanzierung und ermöglicht zugleich inhaltlichen Austausch mit anderen Stipendiaten und Alumni. Insbesondere die Sommerakademien und Doktorandenforen habe ich sehr schätzen gelernt. (Janne Kieselbach, Universität Hamburg)

Weltweite Umweltprobleme, Finanzkrisen, Flüchtlingsströme – es vergeht kein Tag, an dem in den Medien nicht über Phänomene berichtet wird, die wir den Schlagworten „Globaler Wandel“ oder „Globalisierungsfolgen“ zuordnen können. Die politischen Herausforderungen unserer Zeit haben einen neuen Maßstab: zunehmend grenzüberschreitend, räumlich verwoben, komplex. Aber was bedeutet das für die politische Weltkarte? Der territorial souveräne Nationalstaat, im 20. Jahrhundert noch die „taken for granted“-Staatsform, wird von vielen Autoren nicht mehr als die geeignete politische Raumeinheit angesehen, um drängende Probleme zu lösen. In der Politischen Geographie, meinem Promotionsfach, konstatieren deshalb so manche schon das völlige Ende politischer Territorialität zugunsten transnationaler Netze (Deterritorialisierung); andere erkennen neue Formen der Territorialität, so zum Beispiel politische Mehrebenen-Räume (Reterritorialisierung). Erstaunlich ist, dass hier wie dort die Verlagerung von exekutiven Regulationskompetenzen vorrangige Berücksichtigung zu finden scheint. Welche Bedeutung Territorialität – verstanden als strategisches Konstrukt – für institutionalisierte Legitimationsprozesse und letztlich für unsere Herrschaftsform der Demokratie einnimmt, bleibt in der geographischen Debatte nahezu unbeachtet. Das halte ich für folgenreich und frage grundsätzlich: Braucht Demokratie räumliche Grenzen? Was bedeutet es für diese Herrschaftsform, wenn sich Territorialitäten verändern? In welchen räumlichen Arrangements kann Demokratie überhaupt noch gelingen? Mein Ziel ist es, aktuelle Erkenntnisse der Politischen Theorie und der geographischen Territorialitätsforschung interdisziplinär und systematisch zusammenzuführen, um politisch-räumliche Organisationsmodelle kritisch zu prüfen und im Idealfall eigene innovative Konzepte zu entwickeln.

Ein solches Vorhaben erfordert gedankliche Freiräume; es erfordert die Möglichkeit, Ideen konsequent zu entwickeln; es verlangt ausreichend Zeit, um in theoretischen Sackgassen mutig zum Ausgangspunkt umkehren zu können; und es beruht auf gründlicher Literaturarbeit, die nur in Ruhe gelingt. Die Förderung der Studienstiftung unterstützt mich hierbei in zweierlei Hinsicht: Sie schafft Freiräume durch eine sichere Finanzierung und ermöglicht zugleich inhaltlichen Austausch mit anderen Stipendiaten und Alumni. Insbesondere die Sommerakademien und Doktorandenforen habe ich sehr schätzen gelernt; in angenehmer Atmosphäre bieten sie wertvolle Ausblicke über Disziplingrenzen hinweg. Im Jahr 2014 darf ich sogar selbst eine Sommerakademie in meiner zweiten Heimat Finnland konzipieren. Für all diese Möglichkeiten bin ich außerordentlich dankbar.