Berichte

Eine Richtungsdebatte: Erste Stipendiatensprechertagung der Studienstiftung

Erstmalig in der Geschichte der Studienstiftung wurden im Sommersemester 2011 Stipendiatensprecher gewählt. Nach einem Jahr im Amt war Zeit zurückzublicken – und Anregungen der Stipendiaten an die Studienstiftung heranzutragen. Von der Stipendiatensprechertatung in Berlin berichtet Albert Paparo.

Die Amtszeit der ersten gewählten Sprecher der Studienstiftung des deutschen Volkes seit ihrer Gründung im Jahre 1925 neigte sich gerade dem Ende zu, als wir zur ersten Vollversammlung nach Berlin eingeladen wurden. Die Ortsangabe „Berlin“ wurde dabei lediglich zur Orientierung verwendet, denn die Tagungsstätte der „Teikyo University“ in Schmöckwitz liegt „ein winziges Stückchen“ außerhalb.

Eine Flut von Ideen lädt zum Betrachten ein
Vorab wurden fünf Themen für Arbeitsgruppen zur Wahl gestellt, in die sich die Sprecher aufteilen konnten. Die Arbeitsphasen waren in drei Workshop-Runden eingeteilt, wobei die erste Runde der Sammlung von Ideen und der Erarbeitung erster Konzepte diente. In der zweiten Runde durfte man frei wandern und sich einer beliebigen Gruppe anschließen. In der letzten Runde fand man sich in der Gruppe ein, in der man zur Konsolidierung der Ergebnisse beitragen wollte. Die Themen waren: (1) Stipendiatensprecher – Rolle und Selbstverständnis; (2) Aktivitäten und Gemeinschaft am Hochschulort; (3) Botschafter- und Chancenprogramm; (4) Ideelle Förderung; (5) Elektronische Kommunikation und Vernetzung. Intensiv wurde in den Gruppen entworfen und verworfen. Eine Postersession zwischen den ersten beiden Arbeitsphasen präsentierte die vorläufigen Ergebnisse. Eine Flut von Ideen lud zum Verweilen und Betrachten ein.

Hitzige Debatte über Rolle und Selbstverständnis
Während ein Großteil der Themen (glücklicherweise) wenig kontrovers war, bildete sich um eine Stellwand eine regelrechte Menschentraube. Die hitzigen Diskussionen davor, die teilweise unter den Gruppenmitgliedern der AG „Rolle und Selbstverständnis“ selbst geführt wurden, ließen erahnen, welchen Sprengstoff dieses Thema barg. Nur einige wenige hatten die Ausbildung zweier Fronten im Vorfeld vorhergesehen. Zum einen sehen sich einige Stipendiatensprecher vor allem in der Rolle von Initiatoren, Koordinatoren und Organisatoren, die den Überblick über alle stipendiatischen Aktivitäten am Hochschulort behalten sollen. Auf der anderen Seite sehen sich manche Sprecher in vorwiegend sprechender Funktion; als Repräsentanten, die den Stipendiaten eine Stimme in den Organen der Studienstiftung bis hin zum Vorstand geben oder gar mitbestimmen. Da das Selbstbild bis zum Schluss umstritten blieb, wurde eine weiterführende Arbeitsgruppe hierzu ins Leben gerufen.

Diskussionen bis weit nach Mitternacht
Forderungen nach „Demokratisierung“, Wahl eines Bundessprechers, Bündelung der stipendiatischen Meinungen und Mitbestimmung im Vorstand der Studienstiftung wurde von Sprechern als unnötige Politisierung einer politisch und weltanschaulich neutralen und unabhängigen Stiftung mit einer heterogenen Stipendiatenschaft kritisiert. Es wurde auf den bereits exzellenten Austausch zwischen Referenten und Stipendiaten hingewiesen, der bis zu zweimal im Jahr durch persönliche Treffen stattfinde. Dies könnten etwaige Bundessprecher niemals stemmen und ersetzen, womit die Form der Mitbestimmung von einer direkten hin zu einer indirekten verlagert würde. Dem wurde entgegengehalten, dass die Anregungen und Wünsche online gesammelt werden könnten. Wenig verwunderlich, dass Mitglieder der Arbeitsgruppe (1) kaum wanderten, sondern lieber bis zuletzt beim gleichen spannenden Thema verblieben. Teilweise wurde sogar bis weit nach Mitternacht diskutiert.

Kommentare des Präsidenten
Am nächsten Morgen wurden die Ergebnisse präsentiert und anschließend präzise und scharfsinnig vom neuen Präsidenten der Studienstiftung, Herrn Prof. Dr. Reinhard Zimmermann, kommentiert. Es war außergewöhnlich, wie viele ausgezeichnete und inhaltsvolle Präsentationen in dieser kurzen Zeit kreiert wurden. Die Antworten der anwesenden Vertreter der Studienstiftung waren durchweg sehr wohlwollend und positiv. Stürmischen Beifall erntete das Botschafter-Video Leipziger Stipendiaten, das Schülern in einfacher und ansprechender Form die Aufnahme eines Studiums und die Bewerbung bei einem Stipendiengeber näher bringen soll. Die zentrale Frage ist: Was verstehen Stipendiaten unter der neuen Sprecherrolle?! Die richtungweisende Beantwortung dieser Frage überließ die Stiftung bewusst den Stipendiaten. Dabei ist die Antwortsuche nicht allein die Sache der Sprecher. Es ist vor allem in der Hand aller Stipendiatinnen und Stipendiaten, darüber zu entscheiden und den richtigen Umgang mit diesem neuen Amt zu finden.

Albert Paparo, Stipendiatensprecher Aachen