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Christine Thiel: "Digitale Nomaden hängen dem Fetisch des Neuen an"

Wir folgen Christine Thiel (Ethnologie, LMU München) auf ihrer abenteuerlichen Reise ins Feld der digitalen Nomaden. Sie beschäftigt sich mit dem mobilen Arbeits- und Lebensstil ortsunabhängiger Unternehmer. Auf ihren Forschungsreisen nachhaltig beeindruckt hat sie eine digitale Nomadin auf Bali, die ein Jahr kein Sonnenlicht gesehen hat. Ohne das Promotionsstipendium der Studienstiftung und die damit verbundene freie Mobilität wäre ihr Projekt so nicht durchführbar. Das Foto zeigt Christine Thiel bei einer Wanderung in den Bergen des Kaukasus.

Welcher Forschungsfrage gehen Sie nach und welchen Beitrag zu Wissenschaft und/oder Gesellschaft erhoffen Sie sich damit?

Ich untersuchen den mobilen Arbeits- und Lebensstil ortsunabhängiger Unternehmer, die sich in der Szene der Digitalen Nomaden verorten. Im aktuellen gesellschaftlichen Diskurs stellt mobiles Arbeiten ein zentrales Thema dar, das in dieser ganzheitlichen Darstellung in der wissenschaftlichen Forschung noch keine Beachtung gefunden hat.

Was hat Sie an der bisherigen Arbeit an Ihrem Projekt am meisten überrascht?

In den Medien werden Digitale Nomaden oft als naive, hedonistische Aussteiger dargestellt. Bei meiner Forschung habe ich jedoch viele Menschen kennengelernt, die mich mit ihrem extremen Fleiß beeindruckt haben. Am nachhaltigsten ist mir eine inzwischen recht erfolgreiche Frau im Gedächtnis geblieben, die ein Jahr lang auf Bali kein Sonnenlicht gesehen hat, weil sie 7 Tage die Woche von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang durchgearbeitet hat, um sich aus ihrer prekären Situation hochzuarbeiten.

Wie würden Sie Ihr persönliches Verhältnis zu Ihrem Projekt beschreiben?

Ich mag mein Projekt, weil ich dadurch mit vielen sehr unterschiedlichen Menschen in Kontakt komme, die dem Fetisch des Neuen anhängen, und sich als agil, innovativ und mobil präsentieren.  

Wann bzw. in welchem Umfeld kommen Ihnen die besten Ideen für Ihre Forschung?

Tatsächlich kommen mir die besten Ideen ganz unspektakulär beim Schreiben. In den Schreibpausen gehe ich gerne spazieren, um das Formulierte gedanklich neu zu sortieren und zu strukturieren.

Was tun Sie, wenn Sie nicht an Ihrem Projekt forschen?

Wenn ich nicht an meinem Projekt forsche, liebe ich es, mich in der Natur zu bewegen. Ich gehe zum Beispiel sehr gerne wandern, schwimmen, oder joggen. Daneben arbeite ich seit 10 Jahren halbehrenamtlich bei der Lebenshilfe, und unternehme gemeinsam mit anderen Betreuern und den Teilnehmern Ausflüge in die nähere Umgebung. 

Welche Vorzüge hat das Promovieren mit einem Stipendium der Studienstiftung?

Ohne das Promotionsstipendium der Studienstiftung wäre meine Forschung nicht durchführbar, da meine Mobilität als Forscherin nicht mit einer festen Stelle vor Ort vereinbar ist. Und auch die Phase der Verschriftlichung der Forschungsergebnisse gestaltet sich mit einem Stipendium deutlich einfacher und schneller, da mir das Stipendium erlaubt, mich voll und ganz auf mein Promotionsprojekt zu konzentrieren.

Was war Ihr bisher weitestes Forschungsreiseziel?

Mein weitestes Forschungsreiseziel war Bali, Indonesien. Während mich zuhause alle beneidet haben, war ich dort mit einem unschönen Vulkanausbruch konfrontiert. Dank der Flexibilität der Studienstiftung konnte ich meine Weiterreise nach Thailand problemlos vorziehen, und Bali verlassen.