Preisträger:innen der Promotionspreise 2024
Mit ihren Promotionspreisen würdigt die Studienstiftung zum elften Mal exzellente wissenschaftliche Arbeiten unterschiedlicher Fachrichtungen und weist auf die besondere Qualität hin, die die Promotionsförderung der Studienstiftung ermöglicht. Die mit je 5.000 Euro dotierten Preise gehen 2024 an den Chemiker Dr. Jan Gabriel Felber (Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis für Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften), den Juristen Dr. Felix Aiwanger (Lieselotte Pongratz-Promotionspreis für Gesellschaftswissenschaften) und die Historikerin Julia Bühner (Johannes Zilkens-Promotionspreis für Geisteswissenschaften). Die Preisgelder aller drei Promotionspreise trägt der Verein Freunde und Förderer der Studienstiftung des deutschen Volkes e. V. Die Studienstiftung lädt zur öffentlichen Preisverleihung am 3. Juni 2024 in Berlin ein.
Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis 2024: Dr. Jan Gabriel Felber, Pharmazeutische Chemie
Jan Gabriel Felber erhält den Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis der Studienstiftung 2024 für seine Dissertation im Fach Pharmazeutische Chemie an der LMU München. Seine Arbeit Rational development of stabilized cyclic disulfide redox probes and bioreductive prodrugs to target dithiol oxidoreductases umfasst die Entwicklung neuartiger molekularer Sonden zur eindeutigen Analyse einzelner zellulärer Redoxvorgänge, welche etwa im Zellstoffwechsel oder der Zellteilung eine zentrale Rolle spielen. Darüber hinaus entwickelt er einen Werkzeugkasten zur enzymatischen Aktivierung von Wirkstoffen, der zukünftig zum Beispiel noch gezieltere Krebstherapien ermöglichen könnte.
Felbers Forschung stützt sich auf Methoden grundlegender organischer Chemie, Enzymbiochemie, Zellbiologie und in vivo Biologie. Hierbei validiert er zunächst sogenannte enzymselektive diagnostische Sonden in biochemischen und zellbiologischen Experimenten, um sie dann bei der Suche nach neuen pharmazeutisch relevanten Hemmstoffen anzuwenden. Seine Herangehensweise kann etwa dazu genutzt werden, um bestimmte Wirkstoffkandidaten zur Krebsbekämpfung in lebenden Organismen zu testen. Beim Einsatz in Mäusen zeigten diese Wirkstoffkandidaten in zwei unterschiedlichen Tumormodellen eine krebshemmende Wirkung, weshalb Felber sie zum Patent anmeldete. Sein Ansatz eröffnet eine breit anwendbare Grundlage für die Untersuchung und Nutzung von bisher unzugänglichen Redox-Proteinen in lebenden Organismen, um zelluläre Prozesse besser zu verstehen und damit verbundene Krankheiten zu behandeln.
Die Arbeit sei äußerst innovativ und habe daher bereits international Beachtung gefunden, so die Begründung der Jury für die Auszeichnung mit dem Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis. Sie vereine erfolgreiche chemisch-biologische Grundlagenforschung mit einer pharmazeutischen Anwendung insbesondere in der Krebstherapie.
Nach seinem Chemiestudium an der HU Berlin sowie der LMU München promovierte Felber in München am Department für Chemie und Pharmazie. Während seiner Promotion erhielt er ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes und arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter mit dem Forschungsschwerpunkt in der Chemischen Biologie an der LMU München. Zudem forschte er 2022 während eines Forschungsaufenthaltes am Scripps Research Institute in San Diego (USA) an irreversiblen Hemmstoffen für spezielle Enzyme, welche die Übersetzung menschlicher RNA in Proteine unterstützen. Seit 2023 ist Felber medizinischer Chemiker in der Entwicklung beim Biotechnologieunternehmen Tubulis GmbH, wo er an neuartigen Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten als zielgerichteten Krebstherapeutika forscht. Für seine Dissertation erhielt er 2023 unter anderem den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation im Fachgebiet Chemie der Klaus Tschira Stiftung und den Förderpreis Biochemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker.
Lieselotte Pongratz-Promotionspreis 2024: Dr. Felix Aiwanger, Rechtswissenschaft
Der Lieselotte Pongratz-Promotionspreis 2024 würdigt Felix Aiwangers Arbeit zum Thema der Asset Protection, einem rechtlichen Phänomen, für das Aiwanger auf Deutsch den Terminus selbstgesetzter Vermögensschutz vorschlägt. In seiner Dissertation Jenseits der Haftung – Analyse und Kritik selbstgesetzten Vermögensschutzes entwickelt er mögliche Strategien, solchen Formen der Haftungsflucht effektiv zu begegnen.
Aiwanger analysiert und systematisiert in seiner Arbeit Konstellationen und Strategien, mit denen das für die Haftung zur Verfügung stehende Vermögen dem Zugriff der Gläubiger entzogen und dieses gleichzeitig für den Schuldner erhalten werden soll. Er geht dabei von der Grundthese aus, dass Asset Protection die in der Rechtsordnung vorgesehene Haftung vereitelt und daher zu missbilligen ist. Auf dieser Grundlage schlägt Aiwanger mögliche Gegenstrategien vor, um den Problemen der Asset Protection entgegenzuwirken.
Die Jury betont, dass das privatrechtliche Konzept von Asset Protection von enormer praktischer Relevanz und hoher Aktualität für unzählige Verträge und deren Umsetzbarkeit sei, vor allem wenn diese unter die Jurisdiktion unterschiedlicher Länder fallen. Die Arbeit verbinde souverän klassische dogmatische Methode mit aufwändiger und weit gespannter Einbeziehung rechtsvergleichender Elemente. Mit herausragender Methodik vergleiche Aiwanger eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Rechtsordnungen, bette sie in den gesellschaftlichen Kontext ein und durchdringe dabei wirtschaftliche, historische und soziologische Aspekte. Die Arbeit profitiere in besonderer Weise von Aiwangers praxisnahem Forschungsaufenthalt in einer ausländischen Fachkanzlei. Die Jury hebt zudem hervor, dass Aiwanger durch die Art der Darstellung seiner wissenschaftlichen Ergebnisse stilistisch Neuland betrete und somit seine Arbeit auch für Fachfremde ansprechend und interessant gestalte.
Aiwanger studierte Rechtswissenschaft an der LMU München, wo er nach seinem Referendariat als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung forschte. Zuvor führten ihn seine Forschungsinteressen unter anderem an das International Institute for the Unification of Private Law in Rom und zu einer auf dem Gebiet der Asset Recovery spezialisierten Kanzlei auf die Britischen Jungferninseln. Sowohl während des Studiums als auch während der Promotion an der LMU München erhielt er ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit war Aiwanger auch als juristischer Referent für die Landestierschutzbeauftragte beim Berliner Senat tätig. Seit Januar 2024 ist er wissenschaftlicher Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg.
Johannes Zilkens-Promotionspreis 2024: Julia Bühner, Mittelalterliche Geschichte
Die Historikerin Julia Bühner erhält den Johannes Zilkens-Promotionspreis der Studienstiftung 2024 für ihre Dissertation Neue Welten. Eine andere Völkerrechtsgeschichte der Eroberung der Kanarischen Inseln (1402 – 1496). Angeregt von aktuellen Methodendebatten in der History of International Law versteht sich diese geschichtswissenschaftliche Studie als eine interdisziplinäre Betrachtung eines Gegenstandes, der in der Völkerrechtsgeschichte bislang wenig Beachtung gefunden hat.
Bühner berücksichtigt in ihrer Arbeit gleichermaßen Völkerrechtstheorie und Völkerrechtspraxis sowie deren Wechselwirkungen. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der indigenen Bevölkerung des Archipels, ihren Rechts- und Normativitätsvorstellungen, Rechtsgewohnheiten und ihren Rollen bei der Eroberung. In ihrer Arbeit verwirft sie bisherige Vorstellungen, nach denen die Eroberung der Kanarischen Inseln im Ergebnis als Modell, Laboratorium oder Vorläufer begriffen wird und argumentiert überzeugend dafür, diese als eigenständiges Kapitel der Völkerrechtsgeschichte zu behandeln. Sie zeigt, dass Indigene zwar nicht direkt als Akteure am Völkerrechtsdiskurs partizipierten, jedoch vielfach den Anstoß für Debatten, Reflexionen, Gesetze und Erlasse gaben, und die Entwicklung des modernen Völkerrechts somit keineswegs eine rein europäische Errungenschaft gelten kann, sondern pluralen Ursprungs ist.
Die Arbeit und ihre Erträge seien in besonderer Weise anregend und anschlussfähig sowohl für die Mediävistik, die Geschichts- und Rechtswissenschaften sowie die kanarische Regionalforschung, hebt die Jury hervor. Dank der Methoden der Interaktionsgeschichte sowie einer hervorragenden Quellenarbeit mit kritischer Neuedition zahlreicher weitgehend unbekannter Quellen verschaffe Bühner der indigenen Bevölkerung eine eigene Stimme, die in der Forschung bislang mehrheitlich übergangen worden ist. Indigene werden auf diese Weise als wirkmächtige Akteure greifbar. Zudem belege die Arbeit, dass Eroberer und Eroberte sich wechselseitig beeinflusst haben und beide Seiten aus der Eroberung verändert hervorgingen.
Bühner schloss an ihren Zwei-Fach-Bachelor in Germanistik und Geschichte ein Masterstudium mit dem Schwerpunkt in mittelalterlicher Geschichte an der Universität Münster an. Sowohl während ihres Studiums als auch während ihrer Promotion, ebenfalls in Münster, erhielt sie ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Von 2018 bis 2023 arbeitete Bühner als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Hoch- und Spätmittelalter / Westeuropäische Geschichte der Universität Münster. Seit Januar 2024 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Goethe-Universität Frankfurt. Für ihre Arbeit erhielt sie 2023 unter anderem den Dissertationspreis der Arbeitsgemeinschaft Internationale Geschichte im Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands.
Zusammensetzung der Jurys für die Promotionspreise 2024
Um die Promotionspreise 2024 bewarben sich insgesamt 82 ehemalige Promotionsstipendiat:innen der Studienstiftung. Die drei Jurys, die über die Vergabe entschieden, waren mit insgesamt 22 namhaften Wissenschaftler:innen besetzt. Hier können Sie die Zusammensetzung der Jurys für die Promotionspreise 2024 (PDF, 0.2 MB) herunterladen.
Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis der Studienstiftung für herausragende Arbeiten im Bereich der Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften
- Prof. Dr. Felix Joos, Informatik, Heidelberg
- Prof. Dr. Xin Li, Mathematik, Glasgow
- Prof. Dr. Erich Runge, Physik, Ilmenau
- Prof. Dr. Michael Saliba, Materialwissenschaften, Stuttgart
- Prof. Dr. Anett Schallmey, Biotechnologie, Braunschweig
- Prof. Dr. Pierre Stallforth, Chemie, Leipzig
- Prof. Dr. Dr. Fabian Theis, Bioinformatik, München
- Prof. Dr. Hildegard Westphal, Geowissenschaften, Bremen
Lieselotte Pongratz-Promotionspreis der Studienstiftung für herausragende Arbeiten im Bereich der Gesellschaftswissenschaften
- Prof. Dr. Jens-Hinrich Binder, Jura, Tübingen
- Prof. Dr. Anna Alexandra Henkel, Soziologie, Passau
- Prof. Dr. Saskia Lettmaier, Jura, Kiel
- Prof. Dr. Thorsten Meiser, Psychologie, Mannheim
- Prof. Dr. Eva Neidhardt, Psychologie, Koblenz
- Prof. Dr. Farzad Saidi, VWL, Bonn
- Prof. Dr. Andreas Vasilache, Politikwissenschaften, Bielefeld
Johannes Zilkens-Promotionspreis der Studienstiftung für herausragende Arbeiten im Bereich der Geisteswissenschaften
- Prof. Dr. Frank Fehrenbach, Kunstgeschichte, Hamburg
- Prof. Dr. Delia González de Reufels, Geschichte, Bremen
- Prof. Dr. Ahmad Milad Karimi, Islamische Theologie, Münster
- Prof. Dr. Anne Kraume, Literaturwissenschaft, Konstanz
- Prof. Dr. Gesine Manuwald, Latinistik, London
- Prof. Dr. Annika McPherson, Anglistik/Amerikanistik, Augsburg
- Prof. Dr. Hans van Ess, Sinologie, München
Die Promotionspreise der Studienstiftung
Die Studienstiftung vergibt in den Sparten Geisteswissenschaften, Gesellschaftswissenschaften sowie Mathematik, Natur- und Ingenieurwissenschaften jährlich drei mit jeweils 5.000 Euro dotierte Promotionspreise.
Der Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis wird seit 2014 für exzellente Dissertationen aus der Mathematik, den Natur- und den Ingenieurwissenschaften vergeben. Der Lieselotte Pongratz-Promotionspreis wird seit 2022 an Nachwuchswissenschaftler:innen verliehen, die herausragende Forschungsergebnisse in den Gesellschaftswissenschaften erzielen konnten. Der Johannes Zilkens-Promotionspreis wurde von 2014 bis 2021 für herausragende Dissertationen aus den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften verliehen. Seit Einführung des Lieselotte Pongratz-Promotionspreises 2022 wird er für Dissertationen aus den Geisteswissenschaften ausgelobt.
Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis
Der Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis für exzellente Dissertationen in der Mathematik, den Natur- und Ingenieurwissenschaften erinnert an den Bonner Mathematiker Friedrich Ernst Peter Hirzebruch (1927–2012). Er war Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Mathematik in Bonn und ist bekannt für seine wegbereitenden Arbeiten in der modernen algebraischen Geometrie unter Anwendung topologischer Methoden.
Der Studienstiftung und ihren Stipendiat:innen war Hirzebruch sehr verbunden – insgesamt achtmal hat er als Dozent auf Sommerakademien mitgewirkt; er war zudem langjähriger Gutachter in der Doktorandenauswahl, Kuratoriumsmitglied und drei Jahre lang stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender, später Ehrenmitglied im Kuratorium.
Nach seinem Studium der Mathematik an der Universität Münster und der ETH Zürich sowie seiner Promotion als 22-Jähriger in Zürich arbeitete Hirzebruch an den Universitäten Erlangen und Princeton. Bereits zu dieser Zeit erlangten seine Forschungen internationale Anerkennung. 1955 habilitierte er sich an der Universität Münster. 1956 erschien seine Habilitationsschrift Neue topologische Methoden in der Algebraischen Geometrie. Nach einer weiteren Station am Institute for Advanced Study in Princeton erhielt er 1956 einen Ruf an die Universität Bonn, der er bis zu seiner Emeritierung 1993 treu blieb. 1982 wurde er Gründungsdirektor des Max-Planck-Instituts für Mathematik in Bonn.
Seit 1957 veranstaltete Hirzebruch in Bonn eine jährliche Arbeitstagung für den wissenschaftlichen Austausch, die internationale Koryphäen in Bonn zusammenbrachte. Dieser Austausch, die Förderung junger Menschen und das Aufbauen von Netzwerken waren ihm stets ein Anliegen. 1961 und abermals 1990 war er Präsident der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. Ihm gelang es in dieser Funktion, Mathematiker:innen in Ost- und Westdeutschland nach dem Mauerbau miteinander in Kontakt zu bringen und nach der Wiedervereinigung zusammenzuführen.
Hirzebruch wurde für seine Forschungen in den Gebieten Geometrie und Topologie vielfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern, dem Wolf-Preis in Mathematik, dem japanischen Seki-Takakazu-Preis, der russischen Lomonossow-Goldmedaille, der Albert-Einstein-Medaille und der Georg-Cantor-Medaille der Deutschen Mathematiker-Vereinigung. Er wurde in fast alle deutschen und zahlreiche internationale Akademien aufgenommen. Ehrendoktorwürden wurden Hirzebruch von den Universitäten Warwick, Göttingen, Oxford, Wuppertal, Notre Dame, Trinity College / Dublin, Athen, Potsdam, Konstanz und Augsburg verliehen.
„Wir haben mit ihm einen großartigen Menschen, Wissenschaftler und Organisator verloren, dem die Stipendiaten und überhaupt die Jugend sehr am Herzen gelegen hat“, sagte Prof. Dr. Carl-Friedrich Bödigheimer, langjähriges Vorstandsmitglied der Studienstiftung und Fachkollege von Hirzebruch an der Universität Bonn, anlässlich seines Todes 2012.
Lieselotte Pongratz-Promotionspreis
Die Hamburger Soziologin und Kriminologin Lieselotte Pongratz (1923–2001) ist Namensgeberin für den 2022 eingeführten gleichnamigen Promotionspreis, mit dem die Studienstiftung herausragende Dissertationen in den Gesellschaftswissenschaften auszeichnet.
„Mit dem neuen Promotionspreis erinnern wir an unsere Alumna Lieselotte Pongratz, die sich als ausgezeichnete Wissenschaftlerin verdient gemacht hat und mit ihrer Bildungsbiografie für die Initiative und Hartnäckigkeit unserer Geförderten steht. Lieselotte Pongratz' Wirken ist von einer hohen Sensibilität für soziale Ungleichheiten geprägt“, würdigte Dr. Annette Julius, Generalsekretärin der Studienstiftung, die Wissenschaftlerin 2022.
Pongratz wurde 1973 Professorin für Soziologie und 1975, als dritte Frau in Deutschland, Professorin für Kriminologie an der Universität Hamburg.
In ihrer Forschung befasste sie sich unter anderem mit der Straffälligkeit von Kindern, mit der Entwicklung von Jugendlichen aus sozialen Randgruppen sowie mit der Sozialisation von Kindern von Prostituierten. Wichtig war ihr der Transfer der Erkenntnisse in die Gesellschaft – etwa im Beirat einer Strafvollzugsanstalt, wo Häftlinge im Überleitungsvollzug durch sozialpädagogische Begleitung auf die Entlassung vorbereitet werden sollten. Pongratz setzte sich außerdem dafür ein, dass Forschungsarbeiten der Sozialpädagogik und Sozialarbeit auch in den Studienplänen der Medizin, Sozial- und Rechtswissenschaften Eingang fanden. Ende der 1970er Jahre wirkte Pongratz maßgeblich an der Gründung des Aufbaustudiums Kriminologie mit, das in seiner interdisziplinären Ausrichtung die Grundlage für die erste Diplom-Ausbildung für Kriminologie in der Bundesrepublik bildete. Bis zu ihrer Emeritierung im Jahr 1986 forschte und lehrte sie in Hamburg.
Pongratz musste auf ihrem eigenen Bildungsweg Hürden überwinden: Da ihr Vater, von Beruf Buchdrucker, zur Zeit des Nationalsozialismus 1933 aus politischen Gründen seine Stellung bei einem Zeitungsverlag verlor und während ihrer Schulzeit mehrere Jahre arbeitslos war, blieb Lieselotte Pongratz der Zugang zu einer höheren Schule aus finanziellen Gründen verwehrt. Pongratz erwarb ihre Hochschulzugangsberechtigung mit 31 Jahren über die Begabtenabiturprüfung, die Personen ohne Abiturzeugnis den Weg an die Universität öffnete. Ab 1954 studierte sie Soziologie, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Psychologie in Hamburg, von 1956 bis 1962 war sie Stipendiatin der Studienstiftung und konnte in diesem Zuge auch einen Auslandsaufenthalt an der London School of Economics verwirklichen.
Von 1969 bis 1973 wirkte Pongratz als Vertrauensdozentin der Studienstiftung. Auch nach ihrer Emeritierung förderte Lieselotte Pongratz den wissenschaftlichen Nachwuchs und setzte sich mit der Gründung einer Stiftung dafür ein, dass Studierende und Promovierende der Kriminologie und der sozialen Arbeit ihre Forschungsprojekte erfolgreich beenden.
Johannes Zilkens-Promotionspreis
Nach dem Kölner Mediziner und Kinderarzt Dr. Johannes Zilkens (1917–2011) ist der gleichnamige Promotionspreis für exzellente Forschungsarbeiten in den Geisteswissenschaften benannt.
Zilkens war der Studienstiftung über Jahrzehnte hinweg verbunden: Von 1956 bis 1996 unterstützte er die Arbeit als Mitglied im Auswahlausschuss, von 1958 bis 1996 begleitete er die Stipendiat:innen als Vertrauensdozent in Köln. Von 1980 bis 1995 war er zudem Mitglied des Vorstands, seit 1983 in der Position des Vizepräsidenten, und von 1996 bis zu seinem Tod im Jahr 2011 Ehrenpräsident der Studienstiftung. Er hat an zahlreichen Auswahlverfahren und als Dozent an Sommerakademien der Studienstiftung teilgenommen.
1980 gründete Zilkens den Verein der Freunde und Förderer der Studienstiftung des deutschen Volkes e. V., deren langjähriger Vorsitzender er war. Der Verein unterstützt die Arbeit der Studienstiftung in vielfältiger Weise, etwa indem er verschiedene Förderlinien und Programmelemente, zum Beispiel die Teilnahme von Geförderten mit Kindern an besonderen Veranstaltungen und Auslandsaufenthalten durch das Programm Kinderleicht, (ko-)finanziert.
Zilkens war 1986 ebenso Mitbegründer der Theodor-Pfizer-Stiftung, die die Förderarbeit der Studienstiftung unterstützt.
1991 erhielt Zilkens das Große Verdienstkreuz, 1995 als erste Person die Daidalos-Medaille der Studienstiftung.
Bereits 2012 hat der Verein der Freunde und Förderer der Studienstiftung e. V. Preise für Promotionen im Bereich Wissenschaftsgeschichte unter dem Namen Johannes Zilkens-Promotionspreis vergeben. Seit 2014 vergibt die Studienstiftung den Preis gemeinsam mit dem Friedrich Hirzebruch-Promotionspreis, seit 2022 zusammen mit dem Lieselotte Pongratz-Promotionspreis.
Kontakt
Dr. Lars Korten
Team Promotionsförderung
E-Mail: promotionspreis@studienstiftung.de