Finalist: Alexander Popp, Care & Travel

Urlaub im Pflegeheim: Wie ein positives Miteinander zwischen Studierenden und Seniorinnen und Senioren entsteht

Der 24-jährige Medizinstudent Alexander Popp bringt mit der Studierendeninitiative „Care & Travel“ Jung und Alt zusammen. In Pflegeheimen etwa in Trier, Erlangen und Wallerstein verbringen junge Reisende Zeit mit Seniorinnen und Senioren, bekommen Verpflegung und Unterkunft gestellt und können gleichzeitig eine neue Stadt erkunden.

Alexander Popp ist in Oesfeld, einem 100-Einwohner-Dorf im Nordwesten Bayerns aufgewachsen. Nach dem Abitur in Bad Mergentheim in Baden-Württemberg zog er zum Studium der Humanmedizin nach Erlangen. Seit 2016 studiert der 24-Jährige an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, befasst sich unter anderem mit Gesundheit und Sport und ist als studentische Hilfskraft am Universitätsklinikum Erlangen tätig.

Im Rahmen seines Pflegepraktikums im Medizinstudium entstand die Idee, das Miteinander zwischen jungen und älteren Menschen in Pflegeheimen zu stärken. Deshalb gründete er 2017 die Studierendeninitiative „Care & Travel“, durch die Seniorinnen und Senioren sowie Studierende in Pflegeheimen zusammentreffen.

Seit 2019 ist Alexander Popp Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes.

Interview mit Alexander Popp

Studierende wohnen während ihres Kurzurlaubs kostenfrei in deutschen Pflegeheimen und verbringen ihre Zeit mit den Seniorinnen und Senioren. Herr Popp, wie kamen Sie auf diese Idee?

Im Rahmen meiner Pflegepraktika als Medizinstudent fiel mir der beunruhigende physische und psychische Zustand vieler älterer Menschen auf. Bei der Suche nach der Ursache kam ich dabei für mich zu der Erkenntnis, dass oftmals der positive Einfluss des Miteinanders zwischen Jung und Alt für die „älteren Semester“ fehlt, um körperlich und geistig fit zu bleiben und die Freude am Leben beizubehalten. Dieses Miteinander auf kreative Weise zu leben und zu verbreiten ist das Ziel der Studierendeninitiative „Care & Travel“. In den Partner-Pflegeheimen gehen die Studierenden und Seniorinnen und Senioren gemeinsam spazieren, singen, essen und sprechen miteinander.

Wie haben Sie Ihre Vision umgesetzt?

Ich saß zunächst am PC und habe via Suchmaschine nach Pflegeheimen in der Nähe gesucht, viel telefoniert und zahlreiche Anfragen an Pflegeheimleitungen geschrieben. Dann bekam ich die erste Zusage von einem Pflegeheim aus Wallerstein zwischen Augsburg und Nürnberg. Ich habe meinen Rucksack gepackt und bin nach Wallerstein gefahren.

„Nach dem Frühstück machen wir Morgensport, singen oder gehen spazieren.“

Sie haben in dem Pflegeheim gelebt und ihre Idee erprobt?

Ja, vier Tage habe ich in Wallerstein im Pflegeheim gelebt. Nach dem Frühstück machte ich mit ein paar Bewohnerinnen zum Beispiel Morgensport und war erstaunt, wie fit sie noch waren. Ich traf einen älteren Mann, der vor dem Fenster saß und die Welt draußen bestaunte. Aus einer Anmerkung über das schöne Wetter meinerseits wurde eine etwa einstündige Unterhaltung über allerlei Themen: vom Beruf über den Klimawandel bis hin zu den Träumen, denen man folgt oder gefolgt ist. Am meisten beeindruckte mich die Einstellung des Mannes im Rollstuhl. Trotz Unfällen und Rückschlägen, die er in seinem Leben erleiden musste, blieb er immer positiv. „Egal was passiert, man kann immer glücklich sein, solange man noch lebt“, war sein Leitspruch.

Mittlerweile haben Sie mit der Studierendeninitiative „Care & Travel“ weitere Kooperationen mit Pflegeheimen unter anderem in Erlangen, Trier, Gießen und Bonn aufgebaut. Wie ist die Resonanz der beteiligten Studierenden, Seniorinnen und Senioren sowie Pflegekräfte?

Es ist ein tolles Miteinander in den Partnerpflegeheimen. Wir sind über Lokalgruppen – derzeit zum Beispiel in Erlangen, Trier, Gießen und Bonn – organisiert, so gelingt die Kontaktaufnahme und Kontaktpflege zu einem Pflegeheim gut, da man persönlich vor Ort hingehen und alles besprechen kann. Wir ermöglichen jungen Menschen, in neue Regionen und gleichzeitig in das Leben vieler interessanter Menschen einzutauchen – sie sammeln unvergessliche Erfahrungen. Die Seniorinnen und Senioren wiederum sollen von der jugendlichen Energie und Freude angesteckt werden, so dass alle von diesem Generationenaustausch profitieren. Die Pflegekräfte sind größtenteils begeistert, auch für sie ist der Pflegealltag manchmal monoton – wir bringen gewissermaßen frischen Wind in das Leben im Pflegeheim. Es ist explizit nicht unsere Intention, die Arbeit der Pflegekräfte zu übernehmen, da dies ohne längere Ausbildung auch kaum möglich ist. Im Moment sind Studierende unsere Hauptzielgruppe, sie besitzen genug Lebenserfahrung, um den Bewohnerinnen und Bewohnern Freude zu bereiten, ohne einen großen Mehraufwand für das Pflegeheim darzustellen. Die „Arbeitszeit“ kann von Pflegeheim und Reisenden jeweils individuell abgesprochen werden und beträgt etwa sechs Stunden pro Tag, die von Tag zu Tag auch variieren können. Idealerweise verbringen die Studierenden mindestens vier Tage vor Ort, um sich in den Ablauf einzugewöhnen und den Alltag zwischen Pflegeheim und Stadterkundung auszubalancieren. Während des Semesters organisieren wir Großaktionen am Wochenende, für welche wir mehrere Reisende aus verschiedenen Städten gleichzeitig einladen. So konnten wir zum Beispiel Seniorinnen und Senioren noch einmal einen gemeinsamen Besuch auf dem Volksfest ihrer Jugend oder des Weihnachtsmarktes ermöglichen.

Wie gehen Sie im Projekt mit der COVID-19-Pandemie um?

In Zeiten der COVID-19-Pandemie halten wir auf alternativen Wegen den Kontakt und schenken Freude – etwa über Briefbrücken, Bastelaktionen und Videobotschaften. Mit über 1.000 selbst gebastelten, zur Jahreszeit passenden Karten und Briefen haben wir Seniorinnen und Senioren in den Partner-Pflegeheimen unsere Verbundenheit zeigen können. In manchen Pflegeheimen sind, sofern es der Gesundheitszustand zulässt, Brieffreundschaften zwischen Jung und Alt entstanden.

Wofür möchten Sie die Spendengelder einsetzen?

Grundsätzlich unterstützen sich Reisende und Pflegeheime bei uns kostenlos gegenseitig. Weil für viele der jungen Teilnehmenden die Reisekosten zum Pflegeheim nicht unerheblich sind, freuen wir uns aber sehr, wenn wir etwa 30 Reisende mit einem kleinen Zuschuss von etwa 20€ pro Reise unterstützen können. Außerdem übersteigt bei unseren Großaktionen und gemeinsamen Ausflügen die Anzahl an Freiwilligen meist die Kapazitäten der Pflegeheime, so dass die studentische lokale Organisationsgruppe Kost und Logis bereitstellt. Mit etwa 200€ könnte man die Kosten einer solchen Aktion decken.

Wie können interessierte Personen Ihr Projekt sonst noch unterstützen?

Jede Hilfe ist willkommen! Wir freuen uns besonders, unser Netzwerk durch die Gründung von neuen Lokalgruppen in weiteren Städten in Deutschland erweitern zu können. Außerdem hilft uns jeder Kontakt und jede Idee, welche uns dem Traum eines europäischen Netzwerkes näherbringt.

Wie sind Sie zur Studienstiftung gekommen?

Einer meiner Dozenten hatte direkt zu Beginn des Studiums von der Möglichkeit eines Professorenvorschlages für die Studienstiftung und das Max-Weber Programm erzählt und uns nahegelegt, uns diesbezüglich gerne bei ihm zu melden. Ich hatte bereits von den Sommerakademien gehört und war überzeugt, dass mir das Netzwerk der Studienstiftung bei der Umsetzung meiner Ideen eine große Hilfe sein würde. Deshalb sprach ich meinen Dozenten darauf an, als ich ihn im nächsten Semester durch einen Tutorenjob persönlich kennenlernte. Er schlug mich vor. Nach einem unglaublich interessanten Auswahlseminar, welches an sich schon die Mühe der Bewerbung aufwiegt, bin ich nun hier in der Studienstiftung.

Für seinen Einsatz zeichnet die Studienstiftung des deutschen Volkes Alexander Popp als Finalist im Rahmen des Engagementpreises 2022 aus.

Weitere Informationen, Kontakt und Spendenmöglichkeit

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