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21/09/2022

Die Studienstiftung trauert um Dr. Hartmut Rahn

Hartmut Rahn war von 1970 bis 1995 Generalsekretär der Studienstiftung des deutschen Volkes.

Als Generalsekretär der Studienstiftung des deutschen Volkes hat Dr. Hartmut Rahn von 1970 bis 1995 die Begabtenförderung in Deutschland geprägt und die Studienstiftung mit der Reform ihrer Auswahlverfahren, dem substantiellen Auf- und Ausbau eines ideellen Bildungsprogramms sowie nachhaltigen Impulsen zur Internationalisierung grundlegend weiterentwickelt. Rahn verstarb am 21. Juli 2022 im Alter von 92 Jahren.

Hartmut Rahn wirkte nach seinem Studium der Anglistik, Germanistik und Soziologie ab 1959 insgesamt 36 Jahre für die Studienstiftung, zunächst elf Jahre als Referent und schließlich 25 Jahre, von 1970 bis 1995, als Generalsekretär. Der Präsident der Studienstiftung, Prof. Dr. h.c. mult. Reinhard Zimmermann erinnert sich: „Ich habe Hartmut Rahn seit meiner Zeit als Stipendiat in den 1970‘er Jahren als einen engagierten und zugewandten Menschen erlebt, der den Geist der Studienstiftung entscheidend geprägt hat. Besonders am Herzen lag ihm nach meiner Wahrnehmung der Ausbau der ideellen Förderung; von den vom ihm ins Leben gerufenen Sommerakademien habe ich in besonderem Maße profitiert. Sie sind bis heute ein Kronjuwel unseres Bildungsangebots geblieben. Hartmut Rahns Vermächtnis wird in diesem und in vielen anderen Punkten weiterleben.“ Und die Generalsekretärin, Dr. Annette Julius ergänzt: „Hartmut Rahn hat die Leitung der Studienstiftung in einer entscheidenden Umbruchphase übernommen und deren Arbeit in zukunftsfähiger und zukunftszugewandter Weise modernisiert. Was die Studienstiftung heute ausmacht – ihre wissenschaftsbasierten und fairen Auswahlverfahren, Transparenz ihres institutionellen Handelns, ein vielfältiges, auf den fächerübergreifenden Dialog setzendes Bildungsprogramm sowie ihre internationale Ausrichtung – findet ihren Anfang in Anstrengungen und Reformen, die Hartmut Rahn angestoßen und durchgesetzt hat. Seiner Initiative und visionären Leitung verdanken sich bis heute in der Förderlandschaft einzigartige Förderprogramme wie das McCloy- oder das China-Stipendienprogramm. Von der durch Rahn initiierten Forschungsstelle für Begabungs- und Testforschung gingen zudem Impulse für die gesamte deutschsprachige Hochschullandschaft aus“.

Wissenschaftsbasierte Auswahlprozesse – Hartmut Rahns Pionierleistung für die Begabtenförderung im deutschsprachigen Raum

In den 1970er Jahren leitete Rahn die Modernisierung und wissenschaftliche Fundierung der Auswahlarbeit ein – der Grundstein für die heute etablierten, chancengerechten Wege zum Stipendium. Zu Beginn des Jahres 1971 eröffnete die Studienstiftung auf seine Initiative das Institut für Test- und Begabungsforschung, das die Ergebnisse der internationalen Talentforschung für die Arbeit der Geschäftsstelle erschloss, Auswahlprozesse im Hochschulbereich in europäischen und außereuropäischen Bildungskontexten untersuchte und evaluierte sowie eigene Studien zu den Determinanten außergewöhnlichen Studien- und Berufserfolgs durchführte. Auf der Basis dieser Erkenntnisse entwickelte das Institut ein neues, wissenschaftlich fundiertes Auswahlprogramm für die Studienstiftung mit ihren bis heute praktizierten Auswahlseminaren. Aus der Forschungsstelle ging 1992 die ITB GmbH hervor, deren fachspezifische und allgemeine Studierfähigkeitstests seit rund fünfzig Jahren die deutsche Hochschullandschaft prägen.

Parallel hierzu trieb Hartmut Rahn die Diversifizierung von Zugangswegen in die Studienstiftung voran – etwa indem er bereits ab den frühen 1970er Jahren Studierenden an Fachhochschulen den Zugang zu einer Förderung eröffnete und indem er die Promotionsförderung für Doktorandinnen und Doktoranden einführte, die während des Studiums noch kein Stipendium erhalten hatten.

Ebenso prägend war Hartmut Rahns Engagement für den Ausbau und die Weiterentwicklung der ideellen Förderung der Studienstiftung: So wurden die seit 1965 bestehenden Sommerakademien der Studienstiftung ausgebaut – ein Format, das den fächerübergreifenden Austausch mit vielfältigen eigenen Gestaltungsmöglichkeiten verbindet und bis heute ein Herzstück des Bildungsprogramms der Studienstiftung ist. Ebenso sorgte er dafür, dass Vertrauensdozentinnen und Vertrauensdozenten als individuelle Ansprechpersonen für alle Geförderten an ihren Hochschulorten flächendeckend berufen wurden.

Nicht zuletzt trieb Rahn entschlossen die Internationalisierung der Studienstiftung voran: Allen Geförderten, die dies wünschten, eröffnete die Studienstiftung unter seiner Leitung die Möglichkeit, im europäischen Ausland ein Sprachkursstipendium wahrzunehmen. Für längere studien- oder forschungsbezogene Auslandsaufenthalte entwickelte Rahn ein differenziertes Förderprogramm, das er den Geförderten mit großem Engagement ans Herz legte. 1983 etablierte Rahn, zunächst mit Unterstützung der Volkswagen-Stiftung, mit dem McCloy-Programm eine bis heute anhaltende Kooperation mit der Harvard Kennedy School zur Ausbildung von Führungskräften für den öffentlichen Sektor. Und 1986, wenige Jahre nach Beginn der chinesischen Öffnungspolitik, initiierte er gemeinsam mit Berthold Beitz das China-Stipendien-Programm, das eine Lücke in der Förderlandschaft Deutschlands schloss und seitdem Studierenden nicht-sinologischer Fächer fundierte Kenntnisse der chinesischen Sprache und Gesellschaft vermittelt. Im ideellen Förderprogramm führte er internationale Begegnungsakademien ein – etwa eine deutsch-polnische Begegnungsakademie in Krakau, bei der jeweils deutsche und polnische Dozentinnen und Dozenten gemeinsam die Arbeitsgruppen leiteten, sowie internationale Sommerakademien in Kooperation mit dem Deutschen Akademischen Austauschdienst, auf denen seit 1993 jährlich Studierende aus rund 40 Ländern über wissenschaftsethische Fragestellungen diskutierten.

Mit all diesen Entwicklungen stellte Rahn die Institution Studienstiftung stets in den Dienst einer ergebnisoffenen, individuellen und freiheitlichen Förderung der von ihr durch Studium und Promotion begleiteten jungen Menschen. Nach einem Vierteljahrhundert als Generalsekretär des größten Begabtenförderungswerks in Deutschland resümierte Hartmut Rahn im Jahresbericht von 1994: „In der verwalteten Welt ist die Einmaligkeit des Individuums und seines Wollens vielleicht das schützenswerteste Gut“.

Hartmut Rahn blieb der Studienstiftung bis zuletzt verbunden und nahm regen Anteil an ihren Entwicklungen.

Die Studienstiftung erinnert sich mit tief empfundener Dankbarkeit an Hartmut Rahn und wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren.